1.300 Kilometer vom Nordpol entfernt, leben rund 2.500 Menschen, die sich freiwillig einem Leben aussetzen, das irgendwo zwischen Abenteuerroman, Selbstversuch und Dauer-Wetterbericht stattfindet.
Longyearbyen ist die größte Siedlung auf Spitzbergen – was nicht viel heißt, wenn die zweitgrößte ein paar Dutzend Menschen zählt. Trotzdem funktioniert hier alles: Supermarkt, Schule, Kneipe, Zahnarzt. Aber eben auch: Eisbären-Warnsystem, Tageslichtmangel, kein Bestattungsrecht (ja, wirklich) – und die unausgesprochene Regel: Haustür bleibt offen. Immer.
Nichts auf Spitzbergen ist normal. Aber genau deshalb ist es so besonders.
Der Alltag in Longyearbyen – praktisch, kurios und eiskalt
🛒 Einkaufen im Arktismodus
Es gibt einen Supermarkt. Einen einzigen.
Er heißt „Svalbardbutikken“ und ist überraschend gut sortiert – wenn auch teuer.
- Eine Paprika? 3,50 €.
- Ein Liter Milch? Knapp 2,80 €.
- Tiefkühlpizza? Unbezahlbar, wenn du nach vier Tagen keine Lust mehr auf Dosenbohnen hast.
Warum so teuer?
Alles muss eingeflogen oder verschifft werden. Wenn also das Wetter schlecht ist – was es oft ist – kann es schon mal passieren, dass die Bananen braun, das Brot eingefroren und das Bier ausverkauft ist.
Luxus ist hier nicht Champagner, sondern Frischobst.
🩺 Medizinische Versorgung: Nur das Nötigste – und dann bitte ausfliegen
In Longyearbyen gibt es ein kleines Krankenhaus mit Notfallambulanz, aber keine Möglichkeit für komplexe Eingriffe oder Geburten.
Wer krank wird, wird ausgeflogen.
Ja, auch Schwangere. Deshalb darfst du auf Spitzbergen nicht dauerhaft wohnen, wenn du schwanger bist.
Was es gibt:
- Arztpraxis
- Zahnärztin
- Physiotherapie
- Apothekenartikel im Supermarkt
Was du brauchst:
- Eine Auslandskrankenversicherung
- Eine gute Reiseapotheke
- Und im Idealfall: robuste Gesundheit
🚮 Müllabfuhr & Umwelt – kein Ort für Chaosmenschen
Spitzbergen ist kein Platz für Müllmuffel. Alles wird getrennt – und zwar penibel.
- Papier, Glas, Metall, Bio – klar.
- Batterien, Kleidung, Altöl? Gibt’s spezielle Annahmestellen.
- Plastikvermeidung ist Gesetz, keine Ausrede.
Der Müll wird übrigens wieder aufs Festland gebracht – denn Verbrennung oder Deponie wären hier ein ökologischer Wahnsinn.
Tipp: Wer als Bewohner*in schludert, kriegt nicht nur Ärger mit der Gemeinde – sondern auch mit der Nachbarschaft. Und die merkt hier alles.
🚪 Warum man seine Tür nicht abschließt
Die berühmteste Regel in Longyearbyen:
Lass deine Haustür (und dein Auto) offen. Immer.
Warum?
Eisbären.
Klingt absurd, ist aber logisch. Wenn plötzlich ein Bär durchs Dorf spaziert (kommt vor), muss man schnell Unterschlupf finden können.
Da will man nicht erst nach dem Schlüssel kramen, während Meister Petz neugierig um die Ecke schaut.
Zweiter Grund: Vertrauen.
In Longyearbyen kennt man sich. Man hilft sich. Man stiehlt nichts – man leiht höchstens eine Schaufel. Und bringt sie später zurück.
So funktioniert Zusammenleben in der Arktis.
👥 Zwischen Nachbarschaftskuchen und Arktiseinsamkeit
🧁 Gemeinschaft – klein, aber herzlich
Nachbarn sind hier keine Nebensache. Sie sind Rettungsanker, Ersatzfamilie und Informationsquelle in einem.
- Wer backt, teilt.
- Wer Geburtstag hat, lädt ein.
- Wer traurig ist, bekommt Kakao – ob er will oder nicht.
Die sozialen Strukturen sind eng, aber nicht erdrückend. Jeder weiß, dass jeder mal Abstand braucht. Und auch das ist okay.
🌌 Einsamkeit – zwischen magisch und melancholisch
Trotz aller Herzlichkeit kann die Isolation in Longyearbyen überwältigend sein.
- Keine Straßen führen raus.
- Keine Wälder, keine Einkaufszentren, keine Großstadtflucht.
- Die Polarnacht frisst das Zeitgefühl, die Weite schluckt die Gedanken.
Manchmal wirkt der Himmel erdrückend nah.
Dann hilft nur: rausgehen, atmen, jemandem begegnen – oder einen Tee kochen und sich bewusst machen:
Ich lebe da, wo andere nie hinkommen würden.
✅ Fazit: Longyearbyen ist kein Ort für Gewohnheitstiere – aber für Entdeckerherzen
Wenn du dich fragst, wie es ist, am Rand der Welt zu leben, dann stell dir Folgendes vor:
- Du brauchst drei Jacken, um den Müll rauszubringen.
- Dein Supermarkt liefert mehr Geschichten als Instagram.
- Deine Nachbarn wissen, wann du zuhause bist – und bringen dir ungefragt Kuchen.
- Dein Alltag ist einfach – aber niemals banal.
- Und du schließt nie ab, weil du vertraust. Und weil Eisbären.
Longyearbyen verändert dich.
Nicht auf dramatische Weise – sondern langsam, sanft und mit eisigem Understatement.
Und genau deshalb wirst du es lieben.
❓ FAQ – Leben in Longyearbyen
1. Kann man dauerhaft auf Spitzbergen wohnen?
Nur mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung. Es gibt keine Sozialhilfe – du musst selbst für deinen Lebensunterhalt sorgen. Schwangere, Pflegebedürftige und dauerhaft Kranke dürfen dort nicht leben.
2. Wie teuer ist das Leben in Longyearbyen?
Sehr teuer. Lebensmittel, Miete, Freizeit – alles kostet mehr als auf dem Festland. Dafür ist vieles hochwertig organisiert.
3. Gibt es Internet?
Ja, überraschend gutes WLAN – in Häusern, Cafés und selbst im Supermarkt.
4. Was macht man in der Freizeit?
Wandern (mit Guide!), Skifahren, Schneemobil, Kneipe, Vorträge, Museumsbesuche – und mit Nachbarn Tee trinken.
5. Gibt es Schulen?
Ja – inklusive Kindergarten, Grundschule und Gymnasium. Sogar ein Uni-Zweig mit Schwerpunkt Arktisforschung.
6. Was ist mit Eisbären im Ort?
Kommt vor. Vor allem in den Randbereichen. Die Polizei hat ein Bärenüberwachungssystem – aber Vorsicht und Wachsamkeit gehören zum Alltag.